10 Jahre Namestorm – von Null auf Namensprofi

Wow! 10 Jahre bei Namestorm – das hat mich selbst überrascht und dazu gebracht, einmal zurückzuschauen und die spannendsten Aspekte und Fragen rund um den Job als Namensfinderin zu betrachten. Dabei darf ich auch ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern und auf skurrile, schräge und glückliche Momente blicken. Wir starten mit der ersten und zugleich häufigsten Frage, die mir gestellt wird, wenn ich sage, was ich mache:

Wie (um alles in der Welt) wird man denn Namensfinderin??

Ich hatte schon immer ein Faible dafür mich mit Sprache, Worten und Texten zu beschäftigen. Klassische Leseratte, ständig mit der Nase in einem Buch und schon in der Grundschule in Deutsch eine Eins mit Stern. Da hatte ich noch keine Ahnung, wie das mal in meinen späteren Beruf einfließen könnte.

Konkreter wurde das schon als Development Producerin bei verschiedenen Produktionsfirmen, für die ich neue TV-Formate und dabei schon den ein oder anderen Titel (er)finden durfte. Das hat mir immer großen Spaß gemacht und zu so wunderbaren Titeln wie „5  Zimmer – 1 Gewinner“ oder „Iss oder Quizz“ geführt. Über ein besonders kniffliges Titel-Projekt lernte ich Mark Leiblein und Marcel Hiller kennen, die mich dabei unterstützten.

Ich weiß noch, wie mich die Erkenntnis, dass man allein vom Titel- und Namenfinden leben kann, schlicht vom Hocker haute. Es dauerte dann auch nicht lange, nämlich genau bis zum nächsten Merger in der Medienbranche, bei dem ich meinen Job verlor – bis ich bei ihrer Agentur Namestorm anklopfte. Ob sie zufällig noch eine begeisterte Buchstabenbastlerin gebrauchen könnten? Ich hätte Zeit und Lust, das mal auszuprobieren.

Wir starteten mit den ersten Projekten im Juli 2015, einem Filmtitel für eine norwegische Kinokomödie (Kill Billy) und einer Kosmetikmarke (L.O.V). Es folgten das Naming für einen Auto-Check für Gebrauchtwagen (CarCert) und einen Raumluftreiniger (Airvenue).

Das L.O.V Logo.

Kosmetikmarke L.O.V von Cosnova 

Das war er – mein Traumjob! Den ganzen Tag Scrabble spielen und damit den Lebensunterhalt verdienen? Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Es geht um weit mehr als nur Buchstaben hin- und herzuschieben. Ich musste mich mit Markenrecherche, Warenklassen und rechtlichen Grundlagen vertraut machen – und mich intensiv mit der Frage beschäftigen, wie man immer wieder zu starken Namensideen kommt. Genau das ist übrigens auch die zweithäufigste Frage, die mir in Bezug auf meinen Berufs gestellt wird:

Wie kommt man nach 10 Jahren immer noch auf neue Ideen?

Die Antwort ist einfach: mit Methode. Mit Kreativmethoden und jeder Menge Tricks, die das Gehirn davon abhalten, immer wieder in dieselbe Richtung zu denken. Vielleicht war das sogar einer meiner wichtigsten Beiträge in den letzten zehn Jahren: das Einbringen von Methoden, die uns nicht einrosten lassen, sondern immer wieder zu neuen Ansätzen führen. Da werden schon mal Hüte aus Geschenkpapier gebastelt um den Kopf in den Kreativmodus zu bringen oder nach Worten gesucht, die genau das Gegenteil beschreiben, was das Produkt eigentlich kann.

10 Jahre Namestorm Gila Huete

Bringt die Kreativität in Schwung: Bastelaufgabe vor dem Brainstorming! 

Die gesamte Abfolge von Kreativprozessen und Methoden führte schließlich dazu, dass wir die "Namestorm-Methode" entwickelten und veröffentlichten. Es ist die erste echte Methode, mit der man in fünf klaren Schritten zu einem starken Namen gelangt. Sie basiert auf unserer Überzeugung: Mit der richtigen Vorgehensweise kann jede:r in die Lage versetzt werden, kreativ zu sein! Darüber durfte ich mit der wunderbaren Moderatorin Anja Mörk im Podcast Das kreative Chaos sprechen. 

Auch unser Team bringen die Methoden immer wieder auf überraschend neue Gedanken und Ideen – ihr kreatives Potenzial scheint selbst nach zehn Jahren unerschöpflich. Und inzwischen gibt’s Zuwachs: Die KI wurde kurzerhand als neues Teammitglied und Brain aufgenommen. Sie hilft uns unter anderem beim akribischen Recherchieren von Wortbausteinen und Beantworten spezieller Suchanfragen und sorgt für Inspiration. KI ist ein hilfreiches und faszinierendes Werkzeug – der entscheidende Funke entsteht aber oft erst im Gespräch: aus einem Gedanken, Impuls oder einem Bauchgefühl mitten im Prozess und im Austausch mit unseren Kund:innen.

Was waren die größten Herausforderungen in dem Job?

Die größte Herausforderung zu Beginn und bis heute ist das Herauskitzeln der besten Lösung für jedes Projekt. Man kann so kreativ sein wie man will und 100e von Ideen generieren, am Ende müssen alle durch das Nadelöhr der Wünsche des Kunden und des Machbaren – rechtlich und sprachlich – hindurch schlüpfen.

Diesen Prozess, den wir gemeinsam seit 2015 stetig verbessert und weiterentwickelt haben, ist das A und O jedes Namensprojekts. Ob es 70 Lehrkräfte sind, die am Naming für einen neuen Schulzweig beteiligt werden sollen oder 14 verschiedene Länder eines Konzerns, die gemeinsam über einen Produktnamen entscheiden: am Ende steht ein Name aus wenigen Buchstaben, auf den sich alle einigen müssen. Den Namen, bei dem 41 Leute gleichzeitig vom Stuhl springen und spontan Heureka! schreien, gibt es nicht. Das muss man immer im Hinterkopf haben und die Namensuchenden behutsam und mit den richtigen Techniken auf dieser spannenden Reise begleiten.

Namestorm-29

In Naming Workshops nehmen wir alle Beteiligten mit auf dem Weg zum neuen Namen

Und selbst wenn alles bedacht ist, der Prozess gut aufgesetzt und die vielversprechenden Namensideen durch mehrere internationale Prüfrunden durchgeschleust wurden, bleibt eine Komponente immer bestehen: der menschliche Faktor. Denn Namen sind emotional. Wie das "Baby" heißt, lässt niemanden kalt, so dass die Emotionen auch mal hohe Wellen schlagen. Da heißt es: ruhig bleiben und einen kühlen, kreativen Kopf bewahren. Manchmal braucht es noch eine Extrarunde, um alle auf Kurs zu bringen; aber am Ende finden wir eine Lösung, die trägt, überzeugt und in den meisten Fällen auch begeistert.

Gab es schlimme Momente, in denen man an seinem Job zweifelt?

Zum Glück wenige, aber ja diese gab es. Wenn man zum Beispiel in wochenlanger Arbeit für ein sehr herausforderndes Thema mit weltweiter Markenrecherche 12 sehr verschiedene, alle Aspekte beinhaltende Namen präsentiert und diese dann von jemanden aus dem Team mit einem – „also da war ja jetzt noch nix dabei“ vom Tisch gewischt werden, ist das natürlich nicht sehr motivierend.

Oder wenn mitten im kreativen Prozess eine KI-generierte Ideenliste in die Runde geworfen und gefragt wird, warum wir denn nicht in der Lage wären auf solch einfache Ideen zu kommen. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass diese einfachen Begriffe rechtlich alle nicht machbar waren. Dennoch muss man in all diesen Situationen die Leute wieder einfangen und klar machen, dass Naming doch etwas herausfordernder ist als eben mal Chat GPT zu fragen. Es sind „nur“ eine Handvoll Buchstaben, die alle Werte, Wünsche, Gefühle, Inhalte und Bilder transportieren sollen, für die das Projekt steht. Diese müssen dann auch noch allen gefallen, weltweit verwendbar und in jeder Sprache identisch auszusprechen sein ... voll easy, oder??

Das Problem ist meist nicht ein Mangel an Ideen, sondern dass im kreativen Prozess nicht alles vorausberechenbar ist. Eine gewisse Unsicherheit muss man zunächst aushalten und darauf vertrauen, dass der Prozess funktioniert. Diese Unsicherheit und Zweifel sind gefühlt in den letzten Jahren häufiger aufgetreten - in unsicheren Zeiten erscheint jede Entscheidung schwieriger. Wenn man das allerdings geschafft hat, ist die Erleichterung groß und der Name beginnt sofort ein Eigenleben zu entwickeln und sich emotional positiv aufzuladen. Das ist dann das große Glück bei diesem Job.

Was war denn der schönste Moment?

Da gab es Gott sei Dank viel mehr! Immer dann, wenn die Entscheidung auf einen tollen Namen fällt – und wir diesen live und in Farbe auf Webseiten, Produkten, Logos oder im Laden stehen sehen (Oriniq) oder sie schmecken können (Mustimo) macht das große Freude.

Für mich persönlich sicher einer der schönsten Momente war das Erscheinen unseres Buches "Starke Namen", das ich im November 2020 gemeinsam mit Mark Leiblein veröffentlicht habe. Wir haben die herausfordernde Zeit der Corona Pandemie genutzt, innerhalb von eineinhalb Jahren den Traum, ein Praxishandbuch über unserer Namestorm-Methode zu schreiben, zu verwirklichen. Auch das eine Herausforderung, die wir trotz aller Vorbereitung und Organisation unterschätzt haben. Einen Trick kann ich hier verraten für alle, die ähnliches vorhaben: Friday is Write-day! Die Freitage waren über ein Jahr lang komplett fürs Schreiben – und die gegenseitige Abstimmung darüber – reserviert. Sonst hätten wir das Buch wahrscheinlich bis heute nicht veröffentlicht. Einer der glücklichsten und stolzesten Momente war definitiv, das Buch in Händen zu halten:

Starke Namen - Buch Release

Buch "Starke Namen - mit der Namestorm-Methode Firmen- und Produktnamen entwickeln", Wien 2020, Linde-Verlag

Gibt es sowas wie Berufskrankheiten oder Auswirkungen des Jobs?

Ja die gibt’s! Man schaut natürlich bei allen Namen, die einem im Alltag und im Geschäftsleben begegnen, besonders genau hin. Fragt sich, was damit gemeint ist oder wie die Idee wohl zustande gekommen ist. Ich freue mich immer über gelungene Namen, auch wenn sie nicht aus der eigenen Feder stammen – Carl und Carla für eine Autovermietung  oder Lemonade für eine Versicherung fallen mir da ein. Gelungen, weil clevere Hinweise Car-l versteckt sind oder Limonade nach dem Apple-Prinzip einfach über ein positives, frisches Bild im Kopf funktioniert.

Das Namen machen hat aber noch andere Nebenwirkungen, zum Beispiel dass man blitzschnell Buchstaben verdreht und während des Sprechens Worte in Quatsch verwandelt – oder ganze Sprichwörter neu erfindet: „Da läuft der Hase schief“, „Das Pferd schießt sich von hinten tot“ oder man muss „erstmal den Bart um den Mund schmieren“.

Ach ja, und niemand möchte mehr Scrabble gegen mich spielen. Aber ansonsten bringt es eigentlich nur Gutes hervor, denn ich habe die Freiheit, mich kreativ auszuleben und meine doch irgendwie vorhandenen Talente genau da einzusetzen, wo sie gebraucht werden.

Wird das trotz aller Vielfalt nicht langweilig "Ach neee schon wieder ein Staubsauger“?

Nein, überhaupt nicht. Die grundsätzliche Aufgabe – das Namen entwickeln – ist zwar immer die gleiche, aber jedes Projekt bringt wirklich immer neue Herausforderungen mit sich. Mal sind es eben 70 Personen,  die an der Namensidee beteiligt werden sollen oder der Name darf nur exakt 7 Buchstaben haben, die auf das Produkt passen müssen. Oder man darf einen aus Jahrzehnten gewachsenen Wildwuchs an Technischen Abkürzungsnamen in ein neues Namenssystem überführen - und dabei auf  keinen Fall den Buchstaben Z verwenden.

Natürlich gibt es Themen, die einem von Beginn an mehr ansprechen als andere. Allzu technische Themen wirken vielleicht erstmal nicht so spannend wie neues Parfum oder ein neuer schmackhafter Obstbrand.

FLAYM Vorschaubild

Namensfindung mit hochgeistigem Inhalt: FLAYM - Flavor your Moment

Aber genau darum geht es ja, an jedes Thema, ob eine Klärschlammzentrifuge, ein Staubsauger oder die digitale Innovation in der Baumaschinenvermietung, mit der gleichen Begeisterung heranzugehen und das beste Ergebnis heraus zu kitzeln. Das gelingt auch nach 10 Jahren immer noch sehr gut. Für die Klärschlammzentrifuge einen knalligen Superhelden-Namen wie Xelletor zu finden oder die digitale Baumaschinenvermietung Rockbird zu nennen sind sogar ganz besondere Naming-Schmankerl.

Zusätzlich darf ich auch als Lehrbeauftragte Studierenden das kreative Arbeiten näher bringen und für Fraunhofer Ventures als Name Coach Deeptec-Startups beraten. Da wird es mir ganz sicher noch lange nicht langweilig. Ich freu mich auf die nächsten 10 Jahre mit einem tollen Team, mit dem es immer spannend bleibt und das mich in jeder Hinsicht motiviert, inspiriert und unterstützt. Danke Euch, ihr lieben Namenstormer:innen - weiter gehts!!

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